Amplifier und Anathema luden zum gemeinsamen Konzert ins Bürgerhaus Stollwerck in Köln. Während die Vorband auf der Suche nach "Neuen Freunden" waren, wollte der Hauptact des Abends ein neues Album präsentieren, das den Weg der letzten Jahre hin zu ruhigeren und harmonischen Klängen vortsetzte.
Amplifier hatten mal wieder einen schweren Stand. Zum Einen begannen sie
mehr als zwanzig Minuten zu früh. Der Saal war noch nicht einmal zur
Hälfte gefüllt, und erst, als sich herausstellte, dass es tatsächlich
der Beginn des Konzerts war, kamen zumindest die sich noch im Foyer
aufhaltenden zahlenden Gäste dazu. Doch von Beginn an war die Gruppe,
wie schon im Jahr zuvor in Wiesbaden, vom Technikteufel verfolgt.
Gitarrist Steve Durose war im ersten Song einem Wutanfall nahe, weil
seine Gitarre nicht ging. Sänger Sel musste sich das Mikro praktisch in
den Mund stecken, damit man ihn hörte. Platzmäßig sah es für die Band
auch mau aus. Die Aufbauten von Anathema im Hintergrund nahmen so viel
Platz auf der Bühne ein, dass die vier Jungs alle nebeneinander spielen
mussten; das Schlagzeug stand direkt am Bühnenrand vorn links.
Wie schon in Wiesbaden ließen sich die meisten technischen
Schwierigkeiten während des ersten Songs in den Griff bekommen. Die Band
ließ sich davon auch nicht unterkriegen und spielte beherzt auf. Anders
als im Vorjahr, wo Amplifier ja als Hauptact unterwegs waren, wirkten
die Jungs doch deutlich gelöster und gaben einfach alles.
Aushilfsbassist Magnum war keinerlei Unsicherheit anzumerken.
Stammbassist Neil war ja zwei Wochen vor der Tour aus der Band
ausgestiegen.
Amplifier spielten eine gesunde Mischung aus Songs vom aktuellen und dem
Debütalbum sowie von der 'The Astronaut Dismantles HAL' EP. Erstes
Highlight war schon ziemlich am Anfang 'Panzer'. Doch der Funke sprang
nur teilweise aufs Publikum über. Sel kommentierte das trocken mit einem
Hieb Richtung Hauptband: "I'm afraid we don't play any piano ballads
tonight. We'll go on with some heavy riffing instead."* Dann folgte der
Monstertrack 'Interstellar' vom 'Octopus'-Album.
Letztendlich schaffte die Truppe es trotzdem noch, die Leidenschaft und
Spielfreude ein Stück weit ins Publikum zu transportieren. Highlight
waren dabei 'The Wave' in der Mitte und 'Neon' als Abschluss des knapp
einstündigen Sets.
Trotz dass das Publikum nicht ganz so mitgegangen ist, wie das
vielleicht der Leistung der Band entsprochen hätte, war der Auftritt
doch um ein wenig besser als der im letzten Sommer in Wiesbaden. Und ich
denke, wenn die Jungs sich endlich mal ne gute PA und vielleicht auch
nen besseren Techniker zulegen, können die Gigs zu echten Erlebnissen
werden.
Während bei Amplifier eher rotzige, trotzige Clubatmosphäre
vorherrschend war, war die Stimmung bei Anathema gleich ganz anders. Die
Bühne war jetzt natürlich offener, größer, und konnte auch ganz anders
ausgeleuchtet werden. Stimmungsvolle helle Blautöne waren vorherrschend,
als die Band um die Gebrüder Cavanagh mit dem Zweiteiler 'Untouchable'
vom neuen Album eröffneten. Der Funke sprang jetzt im mittlerweile sehr
gut gefüllten Konzertsaal auch schneller über. Die Setlist der Gruppe
war geschickt aufgebaut. Es wurden alle Songs vom neuen Album in der
Reihenfolge gespielt, in der sie auch auf 'Weather Systems' erschienen
sind. Zwischen die einzelnen neuen Songs wurden etliche etwas Ältere
eingestreut. So gab es nach den ersten drei Stücken von 'Weather
Systems' zwei vom Vorgängeralbum, danach drei eher selten gespielte
Songs von 'Judgement', und so weiter.
Im mittleren Teil der Show stellte sich ein klein wenig Müdigkeit ein,
weil hier zu viele ruhige Stücke aneinander gereiht waren, auch wenn der
mehrstimmige Gesang von Daniel und Vincent Cavanagh zusammen mit Lee
Douglas ungemein bewegend war. Doch gleich darauf setzte die Band ein
weiteres Highlight; nachdem Daniel das Publikum mit dem Riff von Tools
'Schism' aufgeweckt und zu lauthalsen Sympathiebekundungen ermuntert
hatte, spielten sie das eh schon ziemlich schnelle 'Panic' noch eine
Spur schneller als im Original, was das Publikum in gehörige Euphorie
versetzte. Die Zuschauer waren nun gänzlich der Band verfallen, und die
noch verbliebenen Songs vom neuen Album wurden ebenso frenetisch
bejubelt wie die älteren Stücke. Die Laune der Jungs auf der Bühne war
ausgelassen, Daniel und Vincent frotzelten die ganze Zeit herum, und als
Vincent in einer Ansage die Setlist durcheinanderbrachte, war das für
Daniel ein gefundenes Fressen.
Schließlich legte die Band noch einen fulminanten Schlussspurt hin. Aus
Zeitmangel unterließen sie es, vor den Zugaben die Bühne zu verlassen,
sie spielten einfach weiter. Besonders hervorzuheben ist dabei noch
'Closer', bei dem Vincent im Hintergrund stand und in den Vocoder sang,
während Daniel vorn am Bühnenrand hin und her lief und die Menge
anpeitschte. Der Jubel nach dem Song war ohrenbetäubend laut,
wahrhaftige Begeisterungsstürme brandeten der Bühne entgegen. Als
letzter Song wurde 'Fragile Dreams' in der Version vom 'Alternative 4'
Album gespielt und damit ein ziemlich genau zweistündiger Gig gekrönt,
der in der Mitte seine Längen hatte, aber in seiner Gesamtheit in Sound
und Stimmung absolute Spitze war. Entsprechend zufrieden machten sich die Zuschauer auf den Heimweg.
*ungefähre Wiedergabe aus dem Gedächtnis
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