Freitag, 4. Mai 2012

Revision: Anathema -- Weather Systems

Nachdem es zwischenzeitlich recht ruhig um die Band war, mausern sich Anathema zu wahren Arbeitstieren. Das letzte reguläre Album 'We're Here Because We're Here' ist gerade zwei Jahre alt, und zwischenzeitlich erschien ja auch noch die Compilation 'Falling Deeper' mit alten Songs im neuen Gewand. Bereits während der Arbeiten daran wurde parallel auch neues Material geschrieben. Ein Teil der Songs war schon zu Zeiten vom Vorgänger-Album entstanden; eine Reihe von Songs, die alle etwas mit Wettererscheinungen zu tun hatten. Damit stand schon früh der Titel des Albums fest, auch wenn die weiteren später dazugekommenen Songs nur bedingt etwas mit dem Titel zu tun haben.

Der Zweiteiler 'Untouchable' eröffnet die Platte, und man merkt schnell, dass die Band da weitermacht, wo sie mit dem 2010er Album aufgehört hatte. Die gezupfte Gitarre wird bald von verzerrten Klängen unterstützt, und zusammen mit der durchdringenden weichen Stimme von Vincent Cavanagh wird in immer wiederkehrender Akkordfolge ein dichter Klangteppich aufgebaut. Im zweiten Teil wird das Thema auf dem Klavier interpretiert, und Lee Douglas übernimmt weite Teile des Gesangs. Es ergibt sich wunderschöner melancholischer Sound mit ein wenig Hang zum Kitschigen.

In diesem Stil setzt sich das Album fort. 'The Gathering of the Clouds' beginnt mit weichen Streichern und ebenfalls schnell gezupfter Gitarre, und schließlich wieder der atmosphärische mehrstimmige Gesang. Diese Vielstimmigkeit, die auf den vorhergehenden Alben der Band nicht so sehr vertreten war, hat großen Anteil an der Magie dieses Albums. Auch die folgenden beiden Stücke 'Lightning Song' und 'Sunlight' setzen auf diese Atmosphäre. Danach folgt der zweite Höhepunkt des Albums nach dem eingängigen Opener. Das fast zehnminütige 'The Storm Before The Calm', der erklärte Lieblingssong von Vincent Cavanagh, überrascht durch Facettenreichtum, Dynamik und Stilwechsel, ohne dabei aus dem Rahmen zu fallen. Das folgende 'The Beginning And The End' ist der härteste Song des Albums, bevor es mit den letzten beiden Stücken wieder ruhiger, aber nicht weniger intensiv wird.

Emotional ansprechende Texte werden durch entsprechende Melodien und Arrangements perfekt inszeniert. Der vermehrte Einsatz von Sängerin Lee Douglas gibt den Songs einen Hauch von Schwerelosigkeit. Schnellere, verzerrte Passagen wirken dem Kitschfaktor entgegen und geben den Songs trotz der breiten Atmosphäre eine gewisse Härte, die live noch besser zur Geltung kommt als auf der Platte*. Die Musik hat etwas von einer entrückten Schönheit, die fast schon unwirklich erscheint. Den Aussagen von Sänger Vincent Cavanagh in einem Interview stimme ich zu: Das Album ist längst kein so großer Entwicklungsschritt wie der von 'A Natural Disaster' zu 'We're Here Because We're Here', was sicherlich auch an dem deutlich kürzeren Zeitabstand liegt, und an der Tatsache, dass die Hälfte der Songs schon zu Zeiten des Vorgängeralbums entstanden waren. Der nächste Entwicklungssprung, so verspricht Vincent, wird wieder ein größerer werden. Nötig wäre es ja nicht, denn das Niveau, das die Band mittlerweile erreicht hat, könnte man gut halten, wenn man weiterhin Alben wie dieses produzieren würde. Aber das wird irgendwann langweilig, und ob man es immer schaffen würde, so hart an der Grenze zum Kitsch zu manövrieren, ohne abzudriften, bleibt fraglich. So genießen wir denn das aktuelle Werk und freuen uns dennoch auf kommende Veränderungen.


Anspieltipp: The Storm Before The Calm

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