Freitag, 4. Februar 2011

Revision: Amplifier -- The Octopus

Den Druck eines verboten guten Debüt-Albums im Rücken zu spüren, muss unglaublich anstrengend sein. Gerade im Fall von Amplifier kommen noch weitere Faktoren erschwerend hinzu. Das zweite Album zeigte, dass der Druck, zusätzlich verstärkt von Management und Plattenfirma, für die Band so groß war, dass sie sogar selbst mehr als unzufrieden mit dem Ergebnis waren. Jetzt ist seitdem einige Zeit ins Land gegangen. Zeit, während der man in regelmäßigen Abständen große Töne aus den Reihen der Band zu hören bekam, was das neue Album betrifft. Lange mussten wir auf das neue Baby von Amplifier warten. Jetzt ist es endlich da, und es ist ... ein Tintenfisch. Der aus zwei Cds bestehende Koloss zeigt bereits beim ersten Eindruck, dass die vollmundigen Huldigungen seiner Erschaffer keineswegs weit hergeholt sind, und nach mehreren Durchläufen kann man in jedem Fall mindestens anerkennend nicken. Um wirklich die komplette Qualität von 'The Octopus' begreifen zu können, benötigt man schon ein wenig mehr Zeit, aber die Investition an Geld wie auch an Zeit lohnt sich.

Nach dem Intro 'The Runner' beginnt der musikalische Teil des Albums zunächst mit 'Minion's Song', der mit seinen Klavierpassagen und dem hymnischen Refrain an das letzte Album der 'Trail Of Dead' erinnert. Es folgen 'Interglacial Spell' und 'The Wave', zwei von eingängigen Riffs geprägte Songs, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzen und selbst Bewegungslegasteniker zumindest zum Mitnicken animieren. Daran schließt sich der Titelsong des Albums an, der mit einer sehr groovigen Bassline und schrillen Gitarren auf eine über neun Minuten dauernde mystische Unterwasserreise einlädt. Ordentliche Gitarrenwände in 'Planet Of Insects' werden abgelöst von eher ruhigen Tönen in 'White Horses At Sea // Utpoian Daydream', bevor dann die erste CD mit dem zehnminütigen 'Trading Dark Matter On The Stock Exchange' endet, das zeitweise fast psychedelische Züge aufweist.
Während die erste CD auf Eingängigkeit und groovige Klänge setzt, ist der zweite Teil etwas vertrackter. 'The Sick Rose' eröffnet mit harten Riffs und Sithar-ähnlichen Gitarrenklängen, gefolgt vom progressiv angehauchten 'Interstellar'. Die hier aufgebaute Stimmung setzt sich in 'The Emperor' und 'Golden Ratio' fort, während 'Fall Of The Empire' ein eher düsteres und schweres Stück ist.
'Bloodtest' ist ein eher ruhiges und getragenes Stück, das auch wieder sehr von psychedelischen Gitarren geprägt ist, während das akkustisch beginnende 'Oscar Night // Embryo' zunächst wie eine Ballade erscheint, dann aber wieder experimenteller wird. Schließlich klingt das Album mit 'Forever And More' harmonisch aus.

"The Octopus" ist eine solide Rockplatte mit teils sehr eingängigen, teils eher psychedelisch vertrackten Passagen, mit offensichtlichen Höhepunkten und solchen, die man erst bei öfteren Hören zu schätzen lernt. Als roter Faden zieht sich die mystische Grundstimmung durch die Songs, die auch vom um das Album gestrickten Octopus-Kult profitiert und somit auch sehr authentisch beim Hörer ankommt. Der allerorten als soziokulturelles Experiment bezeichnete Kult scheint sich, bezogen auf den online veröffentlichten Anhänger* noch nicht so weit verbreitet zu haben, wie die Band vielleicht hoffte. Dennoch konnte ich in meinem Umfeld schon wenigstens einen Mini-Octopus-Aufkleber finden, der nicht von mir stammte, was Sänger Sel mit "pure awesomness" kommentierte.
Es bleibt es bei einem Werk solchen Umfangs nicht aus, dass sich einige Längen einschleichen. Auch kann ich mir vorstellen, dass dem Einen oder Anderen einfach zu schwierig ist, um es am Stück zu hören. Ich gebe zu, dass auch ich mit dem zweiten Teil nicht nicht ganz warm geworden bin, obwohl auch diese Cd einige sehr gute Songs aufweisen kann. In dem Fall kann man ja die Cds einzeln genießen, statt sich den ganzen Tintenfisch auf einmal zu Gemüte zu führen. Und eine Anschaffung des Albums lohnt sich auf jeden Fall schon wegen der ersten Cd, die in sich sehr homogen und doch gleichzeitig sehr vielseitig ist. An das alles überragende Debüt kommt 'The Octopus' zwar nicht heran, doch es ist ein gutes Stück Musik, das die Band hier abgeliefert hat. Die Weiterentwicklung von Amplifier und auch den Mut, sich vom professionellen Musikgeschäft zu lösen, sollte man unterstützen. Das Album gibt es nur auf der bandeigenen Homepage.** [UPDATE]Mittlerweile gibt es das Album auch bei anderen Händlern wie z.B. Amazon, CeDe, iTunes ... [/UPDATE]

Anspieltipp:
The Wave

*http://www.theoctopus.info
**http://www.amplifiertheband.com/merchandise.php

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