Mittwoch, 20. März 2013

Diskurs: Steven Wilsons Ansichten über Musik und Internet

Es gibt ja in der Musikpresse kaum ein Blatt, das aktuell um Steven Wilson herumkommt. Interviews, Stories, Foto auf der Titelseite - unzählige Magazine schmücken sich mit dem neu gekürten König des Prog. Der Erfolg des Albums brachte sogar die Spiegel-Redaktion dazu, sich um ein Interview zu bemühen. Darin schlägt Wilson mal wieder eines seiner Lieblingsthemen auf, über die er immer wieder gern und ausgiebig diskutiert: Die Hörgewohnheiten der Jugend im Internetzeitalter.

Es ist nicht nur allein Wilsons Ansicht, dass das moderne Internet die Hörgewohnheiten vor allem unter Jugendlichen nachteilig verändert hat. Von der Musikindustrie möchte ich hier gar nicht erst anfangen, dass diese (und damit ja indirekt auch die Künstler) unter den geringen Einnahmen zu leiden hat, die sie mit Streaming-Diensten wie Spotify nur generieren kann, steht außer Frage. Vom finanziellen Aspekt aus betrachtet ist das Internet ein Fluch für die Musik. Aber bevor ich mich hier in philosophischen Ausschweifungen über die monetäre Bewertung von Kunst verliere, kehre ich zum eigentlichen Thema zurück.

Wilson stellt trotz all seiner Skepsis fest, dass das Internet einen großen, entscheidenden Vorzug mit sich bringt. Es ist deutlich einfacher, an Musik heranzukommen, die dem Hörer früher verwehrt geblieben wäre. Die globale Zugriffsmöglichkeit öffnet neue Möglichkeiten. Wer früher nicht an den Kritikern vorbei kam, hatte verloren. Das Internet kommt überall vorbei, und Wilson lobt die damit verbundene Abschaffung der Geschmackspolizei. Dem stimme ich zu. Das Internet sorgt für einfache Vertriebswege und ist ein wichtiges Medium, um Bekanntheit zu erlangen. Das führt dazu, dass man als Hörer mit unheimlich viel Musik konfrontiert wird. Allerdings ändert sich dadurch nicht das Verhältnis zwischen guter, hochwertiger Musik und unterdurchschnittlichen bis schlechten Werken. Wie soll man als Musikkonsument sich durch dieses Dickicht kämpfen? Sicher, man kann sich, wie Wilson sagt, an Blogs orientieren, an Stimmen, denen man vertraut. Aber damit macht man sich ja wieder von der Meinung Anderer abhängig. Wie soll man sich aber selbst seine eigene Meinung bilden, wenn man nicht gewillt oder in der Lage ist, alles, was potenziell interessant ist, zu kaufen?

Die Antwort liegt meiner Meinung nach in eben diesen Streaming-Portalen, die Wilson so verteufelt. Diese Streaming-Portale kann man wunderbar zum Stöbern benutzen. Das Internet ist so unübersichtlich geworden, dass es schwer ist, interessante Seiten oder Blogs zu finden, und selbst wenn man sich ein paar zuverlässige Informationsquellen gesichert hat, ist die Fülle an neuen interessanten Werken zu groß, um sich wirklich alles zu besorgen. Dabei helfen dann die Streaming-Portale. Man kann über Spotify, Youtube oder ähnliche Quellen viele Sachen erstmal probehören und sich eine eigene Meinung dazu bilden, zumindest ansatzweise, bevor man entscheidet, ob man es sich anschafft. Das gibt es in allen anderen Bereichen des Lebens auch, es gibt Probefahrten für Autos, oder, um die Bilder von Wilson aus dem Interview aufzugreifen, Trailer für Filme oder Leseproben für Bücher. Warum soll man dann nicht Hörproben für Alben machen?

Die Kultur des aufmerksamen Hörens ist meiner Meinung nach auch nicht durch das Internet zu Grabe getragen worden. Ich denke vielmehr, dass die Musik als solche angesichts des Überangebots an anderen hirnstimulierenden Dingen wie Filmen und vor allem Apps und Spielen nicht mehr den hohen Stellenwert hat wie früher. Es ist nicht mehr so wie zu Wilsons Jugendzeit, wo man sich über Musik definiert hat, wo Musik das Leben, die Einstellung, den Kleidungsstil, einfach alles beeinflusst hat. Die allgemeine Verfügbarkeit von eigentlich allem hat dazu geführt, dass die Menschen sprunghafter sind, schneller ab- oder umschalten, um möglichst viel von dem vorhandenen Angebot 'genießen' zu können. Insofern hat das Internet indirekt schon zum Niedergang der Musikkultur beigetragen. Man muss allerdings auch feststellen, dass es heutzutage nicht mehr viele Künstler gibt, die das Format Album, das nach Wilsons Einschätzung digital beerdigt wurde, noch im eigentlichen Sinne eines Albums produzieren. Die meisten Alben, die heutzutage erscheinen, sind eine wahllose Aneinanderreihung von Songs, die auch beliebig anders angeordnet oder aus dem Kontext genommen werden könnten. Die Kultur des Konzeptalbums ist nahezu verschwunden, und dass es das Album überhaupt noch gibt, liegt meiner Meinung nach einfach nur daran, dass sich das Format etabliert hat und gut auf eine CD passt. Das Album als Gesamtkunstwerk gibt es nur noch selten. Aber ich glaube, dass diejenigen, die tatsächlich darauf Wert legen, ein Album als Gesamtkunstwerk zu produzieren, auch ihre Hörerschaft finden, die diese Werke in ihrer Ganzheit zu schätzen wissen. Und Steven Wilson ist selbst das beste Beispiel dafür: Qualität setzt sich letztlich doch durch.

Was haltet Ihr von Streaming-Portalen? Ist das Internet gut oder schlecht für die Musikkultur? Über Eure Meinung zu dem Thema würde ich mich freuen.

3 Kommentare:

  1. Ich selbst höre inzwischen viel über Youtube, Spotify ist -noch- keine Alternative. Es mag doof klingen, aber ich bin tatsächlich sprunghafter und schneller gelangweilt, seit ich das tue. Ich bin eingefleischte Albumhörerin! Wenn man sich diese Art von Musikkonsum aber einmal angewöhnt hat, ist es wirklich schwierig, die Musik in all ihren Facetten wieder zu genießen.

    Neue Musik höre ich seltener und falls doch mal, merke ich tatsächlich immer wieder, dass es sich einfach nciht lohnt, Geld für ein Album auszugeben. Da gibt es ein, zwei, vielleicht drei Songs, die ich gern höre und der Rest ist Schrott.

    Ich finde das extrem schade. Ich selbst habe nie zu den Menschen gehört, die alles von der Musik abhängig machen (vor allem was den Kleidungsstil angeht), aber wenn man Leute fragt, welche Musik sie gern hören und als Antwort bekommt "alles" ist das schon nicht schön. Das Schlimme daran ist, dass ich mich selbst immer öfter dabei ertappe, wie ich das selbst tu...

    Ich mag deinen Artikel und Wilsons Ansichten. Wollte ich damit nur mal zur Sprache gebracht haben :-)

    ~ Carina

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  2. Vielen Dank für Deine Gedanken. Ein paar Worte dazu:

    Ich denke, es ist eine Frage der Entscheidung, wie man Musik hört, nicht eine Frage des Angebots. Für mich gibt es drei Arten, Musik zu hören:
    1. aufmerksam. Dann höre ich Alben.
    2. nebenbei. Dann höre ich eine 32GB Zusammenstellung meiner Lieblingsmusik in Zufallswiedergabe.
    3. stöbern. Dann entscheide ich mich bewusst dafür, zu schauen, was es so neues gibt. Dann gehe ich auch nach Möglichkeit vorurteilsfrei und offen an bisher unbekannte Sachen heran. Was ich beim ersten Hören nicht in irgendeiner Weise interessant finde, fliegt weg.

    Und ich stimme dir zu, was die Leute angeht, die 'alles' hören. Wer von sich behauptet, dass er 'alles' hört, bei dem ist davon auszugehen, dass er nur kennt, was ihm die Medien (Radio, vielleicht Musikfernsehen) direkt präsentieren. Er ist wie die Titanic, sieht nur die Spitze des Eisbergs und hält sich für unsinkbar...
    Und allein schon die Tatsache, dass von meinen 32GB Lieblingsmusik nicht mal 1 Prozent je in Deutschland im Radio gelaufen ist, zeigt mir, wieviel gute Musik an mir vorbeigegangen wäre, wenn es zwei Dinge nicht gäbe: Musikmagazine und das Internet.

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  3. Also ich höre sehr viel Musik. Täglich. Im Auto, im Arbeitszimmer, und und und. Nur Radio ganz selten. Und ich informiere mich schon über Streaming-Portale. Ich gehöre aber wohl inzwischen auch zu den wenigen, die die CD's dann auch kaufen. Ich lade mir das nicht runter, ich möchte es in Händen halten.

    Du siehst ja auch ab und an auf unserem Blog vorbei, da besprechen wir ja auch Musik, die praktisch nie im Radio gespielt wird, es aber durchaus wert wäre dort gehört zu werden.

    Daher sind solche Portale eine gute "Quelle" sich weiter zu orientieren. Naja und wenn es richtig genutzt wird, dann hat auch jeder was davon.

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