Freitag, 21. Oktober 2011

Revision: Opeth -- Heritage

Über Opeth wird derzeit viel geschrieben. Mit Opeth wird auch viel geredet. Und Mikael Akerfeldt hat viel zu sagen zum neuen Album 'Heritage', zu den neuen Opeth. In jedem dieser Interviews kann man deutlich die Begeisterung für die Musik herauslesen. Eine Begeisterung, die nicht alle Fans teilen; zu sehr unterscheidet sich die neue Platte von allem, was die Band aus Norwegen bisher an musikalischem Output der Welt zur Verfügung gestellt hat. Doch ist es genau diese Euphorie, die die Jungs um Mastermind Akerfeldt über sich hinaus wachsen und auch sich in dieser starken Wandlung in die Ohren und die Herzen derer spielen, für die Musik alles ist?

Das Album beginnt sehr ruhig mit einem Klavier-Intro, das gleichzeitig das Titelstück ist. Insgesamt bleibt es verhältnismäßig ruhig. Wer den von Opeth gewohnten Wechsel aus ruhigen und extrem harten Passagen sucht, der wird nicht fündig werden. Auch Growls gibt es keine auf dem Album. Dafür viele Passagen mit deutlich hörbarem Jazz-Einfluss. 'The Devil's Orchard' wurde schon vorab veröffentlicht; der Song überzeugt mit eingängigem Gesang und einem verzwickten, aber mitreißenden Riff. Das folgende 'I Feel The Dark' würde gut auf das 'Damnation'-Album passen, eindringliche Stimme und gezupfte Nylonsaiten, unterlegt mit leisen Synthie-Klängen und dezenten Rhythmus-Instrumenten nehmen das Thema des vorhergehenden Songs auf. Im weiteren Verlauf werden schwere Riffs und jazzige Drums zu kraftvollen Passagen verbunden, die sich mit leiseren Teilstücken abwechseln. In diesem Stil setzt sich das Album fort. Immer wieder schnelle Riffs und schnelles Schlagzeug, im Hintergrund eingesetzte Orgeln verstärken die Assozioation mit 70er Jahre Prog Hits. Dennoch hört man aus allen Songs auch immer deutlich Opeth heraus, nicht nur wegen der markanten Stimme von Akerfeldt, sondern auch die Arrangements und die Art, wie die Riffs oder gezupften Nylons gespielt werden, zeigen deutlich eine bekannte Handschrift. 

Es gibt auf diesem Album keine Songs mit der Gewaltigkeit vergangener Tage. Dafür viele Passagen, die sehr ruhig sind, teils auch nur eine Blues-Gitarre und Gesang. Die für Opeth typische Dynamik bleibt demnach erhalten, nur ist man insgesamt leiser, aber keinesfalls zurückhaltender. Die sehr kurz aufeinanderfolgenden Rhythmus- und Tempowechsel wie zum Beispiel in 'Nepenthe' bringen ordentlich Fahrt in die Platte. Besonders hervorzuheben ist das über acht Minuten lange 'Famine', das mit mystischen Percussions und Synthies beginnt, dann in balladenhafte Klavierakkorde übergeht. Später kommen auch hier vertrackte Gitarrenriffs und jazzige Drums dazu. Der Song baut einen guten Spannungsbogen auf, um im zweiten Teil zu einem proggressiven Machwerk à la King Crimson zu mutieren, mit Querflötensoli hinter mächtigen Gitarren und kreischenden Orgeln, das dann schnell in sich zusammenfällt, um sich neu aufzubauen. Für Fans von 'The Court of the Crimson King' absolut gigantisch. Nicht mehr ganz so verzwickt und wieder deutlich eingängiger präsentieren sich die letzten beiden Songs. 'The Lines In My Hand' nimmt den King Crimson Sound auf, und auch 'Folklore' wird nochmal ein richtig flottes und krachiges Stück, das zum Ende hin ausfadet. Mit dem Nylon-Instrumental 'Marrow Of The Earth' klingt das Album eher ruhig aus.

Opeth wagen, was momentan viele Bands versuchen: Sie ändern radikal ihren Stil. Es mag Gruppen geben, denen das nicht sonderlich gut gelingt, weil sie nicht mit dem Herzen dabei sind, oder weil sie es zu sehr erzwingen wollen. Bei Opeth fühlt es sich irgendwie richtig an. Die Band hatte ja schon immer eine große Anzahl an Fans, die sich nicht so sehr zur Death Metal Szene zählten, sondern die eher aus dem progressiven Umfeld kommen. Denen kommt dieses Album sehr entgegen. Manche mögen enttäuscht sein, weil sie die Härte vermissen. Aber man muss einer Band auch die Möglichkeiten lassen, sich weiterzuentwickeln. Mikael Akerfeldt sagte in einem Interview, dass er auch ohne Weiteres ein zweites oder drittes 'Watershed' hätte schreiben können. Aber wem hätte das etwas gebracht? Wer 'Watershed' mag, soll 'Watershed' hören. Wer 'Heritage' nicht mag, kann sich an die alten Alben halten. Manchmal ist es Zeit, entweder aufzuhören, oder etwas Neues zu machen, um der Gefahr, sich endlos zu wiederholen, zu entgehen. Opeth haben sich für das Neue entschieden, und es war die richtige Entscheidung.

Anspieltipp: 'Famine'

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