Mittwoch, 27. Juli 2011

Revision: Radiohead -- The King of Limbs

Radiohead lassen sich ja immer wieder was einfallen, wenn es darum geht, ein Album herauszubringen. Einmal erfinden sie sich selbst neu, ein anderes Mal gehen sie neue Wege der Veröffentlichung, diesmal erschaffen sie eine neue Zeitung, die sie kostenlos an den Mann bringen. Nun, die Zeitung fand zumindest Beachtung, auch wenn sie jetzt nicht unbedingt als revolutionär bezeichnet werden kann. Aber genug vom Drumherum um 'The King of Limbs', was ist eigentlich mit der Musik?

Das Album beginnt sehr atmosphärisch. Warme, organische Klänge und Harmonien mit viel Reverb, dazu die fast klagende Stimme von Thom Yorke (auch mit viel Hall), alles unterlegt mit etwas Dubby klingenden Drums - Ein wenig erinnert 'Bloom' an 'In Limbo' vom vielgepriesenen 'Kid A'-Album. Danach folgt 'Morning Mr Magpie', dessen etwas hektisch anmutender Beginn schnell vom sanften Gesang entschärft wird. Auch das folgende 'Little By Little' harmoniert sehr schön mit nervöser Rhythmusabteilung und beruhigenden Gitarrenklängen, was die Stücke zugleich weich und eindringlich macht. Dieses Muster zieht sich auch weiter durch das Album. Die Gesangsparts in 'Feral' haben fast schon psychedelische Ausmaße, dazu kommt ein intensiver, durchdringender Bass. 'Lotus Flower' ist ebenso geheimnisvoll und vielseitig wie die vom Titel propagierte Pflanze, hat aber auch eine gehörige Portion Flow. Dann folgt das beste Stück der Platte, 'Codex', mit warmen Klavierakkorden und einer Melodie, die dazu einlädt, in voller Lautstärke unter der Dusche geschmettert zu werden. Sehr minimalistisch gehalten, zeugt der Song von unheimlich großer songschreiberischer Qualität. 'Give up the Ghost' ist ein ähnlich guter Song; diesmal ist eine Akkustikgitarre das Fundament, das die Stimme trägt. Mit 'Separator' wird es dann wieder etwas grooviger, der starke Hall auf der Stimme gibt dem Song enorme Weite, und damit endet das Album so, wie es begann.

Eine runde Sache also, diese neue Radiohead-Scheibe. Die Fachpresse hat sich offenbar geeinigt auf "Nichts Weltbewegendes, ne neue Radiohead halt". Es darf schon etwas mehr sein, bitteschön. Das Album ist deutlich besser als einige seiner Vorgänger, wo man von der reichlichen Portion Verkopftheit mit technischen Effekt-Spielereien beinahe erschlagen wurde. Statt dessen hat man hier eine harmonische Einheit, deren einziges Manko ist, dass es nach den ersten beiden Songs doch ein wenig arg plätschert und der nächste wirkliche Höhepunkt eine Zeitlang auf sich warten lässt. Dennoch würde ich dieses Album jederzeit zum Beispiel 'In Rainbows' vorziehen. Es scheint, als seien Radiohead auf ihrer rastlosen Suche nach dem ständig Neuen reifer, zufriedener geworden. Oder Sie mussten vor ihrer nächsten Entdeckungsreise in die Tiefen des Musiversums erst einmal durchatmen und die gesammelten Erfahrungen verarbeiten. In jedem Fall ist dieses Album eine musikalische Entwicklung, die ich gutheiße und unterstütze.

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