Samstag, 4. Dezember 2010

Revision: Oceansize -- Self Preserved While The Bodies Float Up

Heute stelle ich ein Album vor, das in meinem persönlichen Ranking heißer Anwärter auf den Titel "Album des Jahres 2010" ist. Es handelt sich um die neue Scheibe von Oceansize. Lange von den Fans herbeigesehnt, erschien Self Preserved While The Bodies Float Up im September diesen Jahres. Die ersten Stimmen innerhalb der Fangemeinde waren allerdings zunächst enttäuscht. Das kann ich gut verstehen. Dieses Album ist eines von der Sorte, die ihre Qualität erst nach und nach entfalten. Bei jedem Hören entdeckt man Neues, und, wie es bei Oceansize üblich ist, entfalten einige Songs erst bei mehrmaligem Hören ihre volle Wirkung.

Es wurde ja von der Band angekündigt, dass die zuletzt erschienene und ziemlich ruhige EP Home & Minor nur Songs enthielte, die von der Stimmung her nicht auf das Album gepasst hätten. Es würde auf dem Album wieder ordentlich gerockt werden. Damit haben die Jungs nicht zu viel versprochen. Der Opener Part Cardiac kommt mit so wuchtigen Gitarrenwänden daher, dass ich mich am Anfang des Stückes an Mastodon erinnert fühlte. Es folgt mit Superimposer ein luftig-rockiger Song mit Ohrwurm-Potential. Zu diesem Song gibt es mittlerweile auch ein Video. Danach dreht die Band für das Intro von Build Us A Rocket Then noch einmal so richtig auf, lassen den Song dann wie einen Gebirgsbach sprudelnd dahinfließen, um sich dann erneut mächtige Gitarrenwasserfälle zu ergießen.
Nach nunmehr zwölf Minuten rockiger, von verzerrten Gitarren dominierter Power schalten Oceansize jetzt einen Gang zurück und liefern mit Oscar Acceptence Speech ein fast neunminütiges ruhigeres Stück ab, in dem zunächst verspielte Gitarren- und Klavierklänge von einer dominierenden Bassline zusammen gehalten werden. Mike Vennart's hymnischer Gesang gesellt sich dazu, und nach etwa fünf Minuten ergießt sich der Song in einen plüschigen Streicherteppich, der ein wenig Filmsoundtrack-Atmosphäre aufkommen lässt. Für meinen Geschmack allerdings sind drei Minuten gleich klingende Streicher- und Klavierpassagen ein wenig zu lang, um an einer so frühen Stelle des Albums einen Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Möglicherweise hätte man den Song etwas weiter hinten platzieren können. Im Anschluss folgt das langsame, getragene Ransoms, das mit einer etwas Blues-angehauchten Gitarre startet, zu der sich eine prägnante Bassline gesellt, bevor Gesang und Schlagzeug das etwas melancholische Stück komplettieren. Zum Ende hin gesellt sich sogar noch eine Orgel hinzu, was den Blues-Charakter des Songs noch verstärkt. Das sich anschließende A Penny's Weight ist ebenso ein eher ruhiges Stück, in den verspielte Gitarren- und Klaviermelodien von zarten Streichern umrahmt werden.
Danach folgt der absolute Höhepunkt des Albums. Silent/Transparent ist meiner Ansicht nach der beste Song, der seit langer Zeit geschrieben wurde, und auf jeden Fall der beste Song des Jahres 2010. Das Schlagzeug beginnt allein, es folgen der Bass und melodische mehrstimmige Gitarrenklänge, die von einem schwer zu beschreibenden pulsierenden Synthesizer-Klang untermalt werden. Der Gesang ist einprägsam und regt - mich zumindest - zum lautstarken Mitsingen an. Es gesellt sich noch ein Klavier dazu, so dass der Song nach und nach immer mehr Spannung aufbaut. Ein eingängiges Gitarrensolo leitet den Übergang in den zweiten Teil des Songs ein, wo der Spannungsbogen aus dem ersten Teil scheinbar bis in die Endlosigkeit erhöht wird, und der Song sich schließlich zu einer grandiosen Gitarrenwand aufbaut und mit einem Schlag endet.
Der folgende Song beginnt mit vorsichtig tastenden Saitenklängen, so als würde man dem Zuhörer nach dem Vorgänger einige Sekunden des Verschnaufens gestatten. Doch dann bricht das Stück mit dem sprechenden Titel It's My Tail And I'll Chase It If I Want To mit der selben kraftvollen Intensität aus sich heraus, wie der Vorgänger endete. Dieser Song, den ich das Vergnügen hatte auch schon live zu sehen, ist wunderbar dafür geeignet, den Zuhörer aus den Schuhen zu werfen. In den Strophen wird die Power ein wenig zurückgefahren, um dann kurz Luft zu holen und wieder voll loszulegen. Harte Gitarrenbretter werden bis in die Unendlichkeit gesteigert; immer, wenn man glaubt, die Spitze sei erreicht, wird noch einmal eine Spur Härte draufgepackt. Danach braucht man dringend einen Song wie Pine, um wieder ein bisschen runterzukommen. Auch hier werden luftig leichte Gitarren von sanften Streichern umspült, und das relativ offene Schlagzeug trägt zusätzlich dazu bei, dem Song einen Hauch von Freiheit und Weite zu verleihen so dass das Stück fast schon dekadent schön ist, möchte ich behaupten. Nicht mehr ganz so erfrischend, dafür mit mehr Groove kommt Superimposter daher. Hier dominiert wieder ein markanter Bass, der von melodiösen Gitarren begleitet wird. Zum Ende hin gibt es noch eine leichte Steigerung, bevor das Album dann ausklingt, bzw. in den Bonustrack Cloak mündet, einem Song, der nur bei der Special Version dabei ist, die auch ein 40-seitiges Booklet beinhaltet.

Das Album bringt eine gute Mischung aus ruhigen, teils melancholischen, teils fröhlich verspielten Stücken und harten Rocksongs mit. Man sollte es - auch aufgrund der großen Dynamik - auf jeden Fall laut hören, und es reicht definitiv nicht nur ein Hörgang, um die Qualität, die hier geboten wird, vollständig zu erfassen. Ich gebe den Fans recht, wenn sie sagen, dass Self Preserved... nicht mehr so homogen ist wie beispielsweise Effloresce. Aber es wäre auch schade für eine Band, die sich auf einem so hohen Niveau bewegt, sie immer an ihrem Debüt zu messen, dass zugegebenermaßen ein Meisterwerk progressiver Rockmusik ist. Dennoch finde ich, dass man der Band zugestehen muss, dass sie sich entwickelt. Und ich finde, im Vergleich zum doch sehr düsteren Vorgänger Frames haben die Jungs aus Manchester wieder einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. ich halte es ja sowieso für schwierig, die Alben von Oceansize miteinander zu vergleichen, da sie alle sehr unterschiedlich sind in ihrer Stimmung, was häufig viel ausmacht bei der Bewertung von Musik. Und nur weil die Stimmung auf diesem Album eine andere ist als auf dem Erstlingswerk, hat das ja eigentlich keine direkte Auswirkung auf die Qualität des Werkes. Ich denke, dass Self Preserved... eine großartige Platte ist und die Anschaffung sich in jedem Fall lohnt.

Anspieltipps: 

SuperImposer
Silent / Transparent

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