Dienstag, 26. April 2011

Live: Blackfield 24.04.2011 Batschkapp Frankfurt

Ostersonntag, 24.04.2011, 18:40 Uhr. Strahlender Sonnenschein und ein leichter milder Wind verleihen dem Platz vor der Batschkapp in Frankfurt einen Hauch von Sommer. Einige Dutzend Menschen tummeln sich bereits in Grüppchen vor dem Haus, und unter den wachsamen Augen von Steven Wilson, der oben an einem Fenster steht, werden Getränke- und Merchandisestand geplündert. Die Stimmung ist locker, entspannt, freundlich, und als gegen 19:00 Uhr die Türen öffnen, begibt sich die mittlerweile angewachsene Menge geordnet und ohne Hektik nach drinnen. Dort ist es dunkel, im Vergleich zu draußen fast schon schwülwarm, so dass der erste Weg vieler Gäste zur Theke führt. Die Preise sind happig, doch das tut dem Absatz keinen Abbruch. Nach und nach füllt sich der Saal, Gespräche vereinen sich zu einem immer mehr anschwellenden Rauschen, das zusammen mit der Musik, die aus den Boxen kommt, eine perfekte Clubatmosphäre schafft. Das Publikum ist bunt gemischt. Da steht ein Porcupine Tree Fan in der ersten Reihe und fragt sich, auf welcher Seite der Bühne wohl Steven Wilson stehen wird. An der Bar unterhält sich ein Altrocker im Iron-Maiden-Hemd mit einigen langhaarigen Jugendlichen. Auf der Seite versucht ein Elternpaar einen Platz mit guter Sicht für ihren Sohn zu ergattern, und weiter vorne spielen zwei Teeniemädchen mit ihrer Kamera herum.
Pünktlich um 8 kommt die Vorband auf die Bühne. North Atlantic Oscillation halten sich nicht mit langen Reden auf. Die Songs ihres Sets gehen fast fließend ineinander über, für Applaus bleibt kaum Zeit. Die drei Musiker sind konzentriert in ihre Musik vertieft, die die Vertracktheit von Oceansize, die schönen melancholischen Melodien von Pineapple Thief und die elektronische Experimentierfreudigkeit von Radiohead miteinander vereint. Die sehr abwechslungsreiche Musik kommt beim Publikum ganz gut an, auch wenn die Abmischung das eine oder andere Mal für ein wenig breiigen Klang sorgt, und die Herren auf der Bühne offensichtlich ein wenig Schwierigkeiten mit dem Monitoring haben. Aber ich ziehe den Hut vor allem vor der Leistung von Gitarrist und Bassist, die nicht nur an ihren Instrumenten und mit ihren Stimmen überzeugen, sondern gleichzeitig auch diverse Effektgeräte und Keyboards bedienen und diesen Spagat mit Bravour meistern. Nach dem 45-minütigen Set und einer höflichen Verabschiedung hilft die Band tatkräftig beim Abbau ihres Equipments, und nach einer weiteren halben Stunde ist die Bühne frei für den hauptact des Abends.
Unter frenetischem Jubel kommen die Akteure auf die Bühne. Steven Wilson gewohnt lässig, barfuß, in bequemer Hose und einem T-Shirt mit einer Fliege auf der Brust. Aviv Geffen gewohnt extravagant, mit einem schwarzen Mantel mit viel Tüll und Rüschen und mit einem roten Lichtschlauch garniert, mit schwarz gefärbten Lidern und Glitzer unter den Augen. Die Band eröffnet mit 'Blood', dem härtesten Song vom neuen Album, gefolgt von 'Blackfield', einem alten Stück vom ersten Album. Die Stimmung im Saal ist großartig, das Publikum feiert die Band, singt lautstark mit, und den Akteuren auf der Bühne ist die Spielfreude deutlich anzusehen. Geffen, der sich mittlerweile seines Mantels entledigt hat, lässt mit seiner Stimme Schauer über die Rücken der Anwesenden rollen, und Wilson verleiht mit seiner Gitarre auch den neuen Songs die Härte, die auf dem Album meiner Ansicht nach ein bisschen zu weich gemischt wurden. Die Musik gewinnt dadurch deutlich an Intensität und Kraft, während sie mir auf dem Album eher ein wenig plätschernd vorkamen. Das Set setzt sich fort mit einer abwechslungsreichen Mischung aus alten und neuen Songs. Die Stücke an sich wie auch die überaus gute Auswahl und Zusammenstellung schaffen eine ungemein warme und freundliche Atmosphäre, und Wilson hat mit seinem Charme und Witz das Publikum auf seiner Seite. Warm ist auch das Klima im Saal, fast schon unangenehm, was auch der Band auffällt, die sich allerdings bald mit einer Windmaschine Abhilfe schaffen, welche Wilson gleich nutzt, um sich mit wehendem Haar in Pose zu werfen. Die 'Arriving Somewhere' Rufe aus dem Publikum kommentiert er mit 'Wrong concert', und als sein Blick auf die Teeniemädchen fällt, die ihm ihre zu Herzen geformten Hände entgegenrecken, huscht ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht. Zum Ende des Hauptteils werden auch die anderen Bandmitglieder vorgestellt und begeistert gefeiert, und mit der Zugabe, bestehend aus 'Hello', 'End of the World' und 'Cloudy Now' steigert sich die gute und ausgelassene Stimmung fast ins Unermessliche. Vor allem Aviv Geffen, der sich mittlerweile auch seines Unterhemdes entledigt hat, legt so viel Intensität in seinen Gesang, dass man fast fürchtet, dass ihm der Kopf platzt, und als gegen 23:00 Uhr die letzten Töne verklungen sind, bleibt nur noch tosender Beifall.
Trotz der verhältnismäßigen Kürze des Sets ist das Publikum voll auf seine Kosten gekommen. Die sehr gut ausgewählte Zusammenstellung aus Altbekanntem und Songs vom neuen Album haben sich zu einer perfekten Mischung verbunden, und die Qualität der Musiker und deren enorme Freude am Spielen haben den Abend zu einem Unvergesslichen werden lassen.

Einen Kritikpunkt habe ich noch anzumerken, allerdings nicht an der Band, sondern am Publikum. Anders als bei den Konzerten von Porcupine Tree war das Filmen und Fotografieren hier nicht untersagt worden. Das führte allerdings dazu, dass einige Zuschauer, vor allem in den ersten Reihen, mehr Zeit mit ihrem Handy als mit der Band verbrachten. Es nervt tierisch, wenn in einer euphorisierten Zuschauermenge vereinzelte Personen stehen wie ein Fels in der Brandung, weil sie unbedingt 'Hello' in voller Länge und möglichst ohne Verwacklungen auf Video festhalten müssen. Wozu, frage ich mich? Damit man dann ein drittklassiges Video mit verpixeltem Bild und mieser Tonqualität hat, das sich einzig und allein dadurch auszeichnet, dass man es selbst gemacht hat? Damit man bei Youtube, Facebook oder wo auch immer prahlen kann, und allen zeigt, dass man dabei war? Warum kann man nicht einfach ein Konzert besuchen und es genießen, die Stimmung in sich aufsaugen, mit allen Sinnen fühlen, hören und sehen, warum bringt man statt dessen sich selbst und auch Andere um den Genuss, weil man sich auf sein mobiles Aufnahmegerät konzentrieren muss? Ich bin eindeutig für Filmverbote auf Konzerten! Kauft lieber die DVD!





Setlist Blackfield

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